Zukunft der Energieversorgung

Wir stehen vor einer grundlegenden Umstellung unserer Energieversorgung: Zur Umsetzung des Pariser Klimaprotokolls ist es nötig, unsere Treibhausgasemissionen bis spätestens Mitte Jahrhundert auf Netto-Null zu senken. Solarenergie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Das ausschöpfbare Gesamtpotenzial zur jährlichen Produktion von Solarstrom in der Schweiz liegt bei klar über 100 Terawattstunden, der grösste Teil auf Gebäuden. Wir sollten dieses Potenzial rasch nutzbar machen, damit Photovoltaik zur tragenden Säule einer sicheren und sauberen Energieversorgung der Schweiz wird. 

 

Der 11-Punkte-Plan der Solarwirtschaft

Die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist dringlich. Elektrizität wird dabei zur Schlüsselressource. Der Ausstieg aus der Atomenergie fordert neue Lösungen. Solarenergie wird die Energie in grossen Mengen liefern – erneuerbar, zeitnah und kostengünstig. Damit diese Umstellung gelingt, müssen wir mehr und schneller zubauen als bisher. 2050 soll Photovoltaik 45 TWh Strom liefern, also zehnmal mehr als heute. 

Es gilt, die Weichen für einen zügigen Ausbau der Photovoltaik richtig zu stellen. Swissolar empfiehlt 11 Massnahmen, um der Schweiz eine erneuerbare und sichere Energieversorgung zu garantieren.   

 

Massnahme 1: Klare und verbindliche Ziele für erneuerbare Energien

  • Wie gross ist das Potenzial zur jährlichen Solarstromproduktion in der Schweiz?

    Im Zusammenhang mit der Lancierung der Web-Plattform www.sonnendach.ch schätzte das BFE das ausschöpfbare Solarstrompotenzial der Schweizer Gebäude auf rund 67 Terawattstunden (TWh) pro Jahr (50 TWh auf Dächern, 17 TWh an Fassaden). Eine 2022 von der ZHAW durchgeführte verfeinerte Analyse ergab ein ausschöpfbares Potenzial von 54 TWh auf Dächern. 

    Eine von Meteotest (2019) im Auftrag von Swissolar durchgeführte Analyse von Potenzialen ausserhalb von Gebäuden ergab ein zusätzliches Potenzial von 10,5 TWh auf Parkplätzen und Autobahnböschungen sowie 16,4 TWh auf vorbelasteten alpinen Flächen ausserhalb von Schutzzonen.  

    Das ausschöpfbare Gesamtpotenzial zur jährlichen Produktion von Solarstrom in der Schweiz liegt somit bei fast 100 TWh. 

  • Wie zuverlässig ist eine Stromversorgung mit rund 50% Solarstrom?

    Als Kritik an der Solarenergie wird oft auf ihre schwankende Produktion hingewiesen. Dabei wird oft missachtet, dass der Ausfall von AKW zu viel stärkeren und – im Gegensatz zu Solar- und Windenergie – meist nicht prognostizierbaren Schwankungen in der Stromproduktion führt. Dies galt z. B. für den Ausfall von Leibstadt, dem grössten AKW der Schweiz, während rund 5 Monaten im Jahr 2021.  

    Die Schweiz ist zudem aufgrund ihrer Speicherwasserkraftwerke prädestiniert für einen hohen Anteil Solarstrom. Diese liefern Strom, wenn die Sonne nicht oder wenig scheint, insbesondere im Winter. Für den Ausgleich der Produktion im Tages- und Wochenverlauf stehen neben den wichtigen Pumpspeicherwerken in Zukunft dank der Elektromobilität Batteriespeicher in enormem Umfang zur Verfügung, die laufend günstiger werden. Für die Verschiebung von sommerlichen Produktionsüberschüssen in den Winter gilt es, die bestehende Wasserkraft zu nutzen sowie die Speicherkapazitäten in bestehenden und neuen Stauseen zu erhöhen. Zudem muss die Power-to-X-to-Power-Technologie stärker forciert werden, denn sie kann in Zukunft das Energieversorgungsbild der Schweiz insbesondere im Winter vervollständigen.  

    Schliesslich liegt die Schweiz im Zentrum des europäischen Stromnetzes, und wir können damit bereits jetzt vom massiven europäischen Zubau von Wind- und Solarenergie profitieren. Ein künftiges Strommarktabkommen mit der EU ist zwingend. Die Stromversorgung der Schweiz gerät ohne Stromabkommen und dauerhaft gesicherte Integration ins europäische Stromnetz in ernsthafte Schwierigkeiten. Wir importieren und exportieren im Durchschnitt jeden Tag halb so viel Strom, wie wir in der Schweiz täglich verbrauchen. Das sind enorme Mengen, die wir bei weiterer Zunahme nicht ohne langfristige Verträge dauerhaft bewältigen können, ohne einen sehr hohen Preis dafür zu bezahlen und ohne Abstriche bei der Versorgungssicherheit in Kauf nehmen zu müssen. 

  • Warum hat Swissolar ein eigenes Szenario entwickelt, und was unterscheidet es von anderen Szenarien?

    Der in der Energiestrategie 2050+ aufgezeigte Zubaupfad für die Photovoltaik ist aus Sicht von Swissolar zu langsam. Er hätte zwangsläufig einen deutlich steigenden Stromimportbedarf in den Dreissigerjahren zur Folge, was insbesondere aus Gründen der Versorgungssicherheit zu vermeiden ist. Umgekehrt ist zu berücksichtigen, welche Beschleunigung des Ausbaus mit der Verfügbarkeit von Arbeitskräften und der Sicherstellung einer hohen Qualität vereinbar ist. Das hier dargestellte Szenario geht unter anderem von folgenden Annahmen aus:  

    • Stilllegung aller AKW bis 2035 
    • verstärkte Umsetzung/Förderung der Energieeffizienz  
    • verstärkte Umsetzung/Förderung der Power-to-Gas-Produktion 
    • deutlich rascherer Ausbau der Elektromobilität als von Energieperspektiven 2050+ und Axpo vorgesehen (Basis optimistisches Szenario Swiss eMobility) 
    • rascher Ausbau der Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) zur Deckung winterlicher Verbrauchsspitzen. Dafür verwendetes Bio- oder Synthesegas soll Erdgas rasch ablösen.  
    • Ausbau der Wind- und Wasserkraft gemäss Energieperspektiven 2050+ 
  • Was geschieht mit den sommerlichen Stromüberschüssen?

    Die von uns vorgeschlagenen 50 Gigawatt (GW) installierte PV-Leistung entsprechen etwa dem Fünffachen der bisherigen Leistungsspitze im Schweizer Stromnetz. Obwohl die PV-Anlagen nie alle gleichzeitig ihre Maximalproduktion erreichen, wird es Produktionsüberschüsse geben, die zwischengespeichert werden können. Dabei muss zwischen verschiedenen Speicherdauern unterschieden werden:  

    • Bei der saisonalen Speicherung wird mittels Elektrolyse Wasserstoff hergestellt. Dieser kann direkt oder nach weiteren Umwandlungsschritten als Methan oder flüssiger Treibstoff gespeichert werden. Man spricht von «Power to X» sowie von synthetischen Gasen resp. Treibstoffen. Diese können im Winter z. B. für den Betrieb von Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen oder zum Fahren mit schweren Fahrzeugen wie LKW oder Baumaschinen eingesetzt werden. Auch die Bewirtschaftung der Speicherwasserkraftwerke (inkl. Erhöhung von Staumauern und Neuerstellung von Stauseen) leistet einen wichtigen Beitrag zur saisonalen Speicherung. Während Solarstrom einen Grossteil des sommerlichen Bedarfs deckt, können die Wasserreserven in den Speicherseen geschont werden.  

    • Bei der Tages- und Wochenspeicherung stehen neben dem optimierten Eigenverbrauch von Elektroautos und Wärmepumpen stationäre Batteriespeicher (vorzugsweise als 2nd-Life-Nutzung aus Elektroautos) im Vordergrund. Den grössten Nutzen leisten diese in Form von Quartierspeichern, die gleichzeitig zur Entlastung der Stromnetze beitragen. Rasch an Bedeutung gewinnen werden dank bidirektionalem Laden die Batterien von Elektroautos. Auch Pumpspeicherkraftwerke können zur Nutzung der Überschussproduktion (z. B. am Mittag) eingesetzt werden.  

    • Ultima Ratio ist im Fall fehlender Leitungskapazitäten die dynamische Abregelung von PV-Produktionsspitzen am Hausanschlusspunkt. 

  • Wie soll mit dem Netto-Stromimportbedarf in der Jahresbilanz einzelner Jahre zwischen etwa 2030 und 2040 umgegangen werden?

    Dieser Importbedarf ergibt sich im Swissolar-Szenario aufgrund folgender Annahmen:  

    • Stilllegung aller Schweizer AKW bis 2035 
    • Notwendige Gesetzesänderungen zu verstärkten Anreizen für Investoren und Anpassungen in der Bewilligungspraxis sind nicht vor 2025 zu erwarten. 
    • Ein noch stärker beschleunigter Ausbau der Photovoltaik könnte durch Engpässe auf dem Arbeitsmarkt verzögert werden. 

    In anderen Szenarien wird der Atomausstieg auf 2045 festgelegt, was vermeintlich das Importproblem reduziert. Dabei wird jedoch übersehen, dass angesichts des hohen Alters mit immer häufigeren Ausfällen der Schweizer AKW zu rechnen ist, was die Versorgungssicherheit negativ beeinflusst.  

    Die Importabhängigkeit der Schweiz im Winter schwankte in den letzten 20 Jahren zwischen 1 und 10 TWh. In der Jahresbilanz wurde hingegen in der Regel ein Exportüberschuss erzielt. Die Energieperspektiven 2050+ (Szenario «Zero Basis») des BFE gehen von einer Importabhängigkeit in der Jahresbilanz von 7,5 TWh (2030) und 12,7 TWh (2035) aus. Die Importabhängigkeit im Winter soll laut der gleichen Quelle bei 15 TWh (2035) und 9 TWh (2050) liegen, also höher als bisher. Im Szenario von Swissolar liegt der Jahresimportbedarf bei rund 3 TWh (2035).  

    Im gesamteuropäischen Kontext ist eine vorübergehende leicht erhöhte Importabhängigkeit der Schweiz grundsätzlich nicht problematisch angesichts der massiven Ausbaupläne für Wind- und Solarenergie in der EU und insbesondere aufgrund der Pläne der deutschen Regierung. Die grösste Hürde für eine sichere Stromversorgung liegt aber im fehlenden Strommarktabkommen der Schweiz mit der EU – hier gilt es rasch zu handeln.  

    Zur Absicherung gegen extreme Mangellagen in dieser Periode ist ein Ausbau von Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen (WKK) gemäss dem Powerloop-Versicherungsmodell eine prüfenswerte Massnahme.  

  • Was hält Swissolar von der Diskussion um neue AKW in der Schweiz?

    Strom aus neuen AKW ist nicht konkurrenzfähig mit Strom aus erneuerbaren Energien, erst recht nicht, wenn Atomunfälle vollständig versichert werden müssten. Die Endlagerung ist weiterhin nicht gelöst und ebenfalls nicht vollständig in den Stromkosten abgebildet. Ein neues Werk könnte frühestens in 30 Jahren in Betrieb genommen werden und wohl noch deutlich später, wenn neue, bisher erst auf dem Papier existierende Konzepte umgesetzt werden sollen. Das ist zu spät, um einen massgeblichen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. Aus diesen Gründen führen die Vorschläge für neue AKW nicht zu mehr Versorgungssicherheit, sondern zum Gegenteil, weil sie den Ausbau der erneuerbaren Energien verzögern. 

  • Wie ökologisch ist der massive Ausbau der Photovoltaik?

    Den stärksten Einfluss auf die Ökobilanz von PV-Modulen hat ihre hauptsächliche Produktion in China mit einem heute noch hohen Anteil Strom aus Kohlekraftwerken. Trotz dieses Nachteils verursacht eine neu erstellte Solaranlage in der Schweiz heute 43 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde (CO 2eq/kWh), was 3-mal weniger ist als die Treibhauswirkung des Strom-Verbrauchermixes in der Schweiz. Die energetische Rückzahldauer einer Solaranlage in der Schweiz beträgt rund 15 Monate. In dieser Zeit ist die zur Herstellung benötigte Energie durch die Produktion der Anlage kompensiert (Vergleich auf Ebene Primärenergie). Quelle: Treeze 2020, Factsheet PV electricity. Bei einer Lebensdauer von rund 30 Jahren produziert somit eine Photovoltaikanlage rund 20-mal mehr Energie, als zu ihrer Herstellung nötig war.  

    Mit dem Aufbau einer Solarindustrie in Europa über die gesamte Wertschöpfungskette können diese Werte nochmals deutlich verbessert werden. Zugleich werden auch die Herstellungsverfahren laufend verbessert (weniger Material- und Energieeinsatz), was den gleichen Effekt hat.  

    Das Recycling der PV-Module nach dem Ende ihrer Lebensdauer ist dank einer freiwillig erhobenen vorgezogenen Recyclinggebühr finanziert. Voraussichtlich ab 2024 wird diese Abgabe obligatorisch erhoben. Technisch ist das Recycling unproblematisch, da 90 % des enthaltenen Materials Glas ist, das z. B. zu Isolationsmaterial verarbeitet wird. Die in der Schweiz fast ausschliesslich verwendeten Siliziummodule enthalten praktisch keine toxischen oder seltenen Materialien. Die diesbezüglich etwas heikleren Dünnschichtmodule kommen fast nirgends zum Einsatz. 

Massnahme 2: Berufliche Chancen in der Solarbranche schaffen

  • Stehen genügend Arbeitskräfte für den angestrebten Ausbau zur Verfügung?
    • Wenn die Politik ein klares Signal zum Ausbau der Solarenergie setzt, werden mehr Menschen eine Tätigkeit in diesem Bereich suchen, sei es als Quereinsteiger:innen aus anderen Branchen, sei es als Lernende im neuen Lehrberuf Solarinstallateur/Solarinstallateurin, der ab 2024 angeboten wird.  

    • Genaue Angaben zur Anzahl Arbeitskräfte in der Schweizer Solarbranche existieren derzeit nicht. Swissolar schätzt den heutigen Bestand an Vollzeitäquivalenten (VZÄ) auf 12’000. Nach unserem Szenario wird diese Zahl bereits 2030 bei rund 25’000 VZÄ liegen. Die Solarbranche wird also zu einem noch bedeutenderen Arbeitgeber. Dazu werden verschiedene Qualifikationen benötigt; im Vordergrund stehen die Planung und die Montage der Anlagen. 

Massnahme 3: Anreize für einheimische Produktion von Komponenten für Solaranlagen setzen

  • Weshalb braucht es diese Massnahme?

    Heute stammen mehr als zwei Drittel der in der Schweiz verbauten Solarmodule aus China. Diese monopolähnliche Situation ist in verschiedener Hinsicht problematisch: Wegen Engpässen in Produktion und Transport steigen zurzeit die Modulpreise. Zudem hat der in China eingesetzte Strommix eine schlechtere Ökobilanz als jener in Europa, und bezüglich Menschenrechte gibt es bisher nicht widerlegte Vorwürfe. Aus diesen Gründen ist es für den raschen Ausbau der Photovoltaik in Europa und der Schweiz von grosser Bedeutung, dass Produktionskapazitäten über die gesamte Lieferkette auch in Europa aufgebaut werden. Chancen dazu bieten unter anderem das mit 750 Milliarden Euro dotierte «Next Generation EU»-Programm zur Wirtschaftsförderung nach der Pandemie mit starkem Fokus auf erneuerbare Energien sowie die «Renewable Energy Directive» mit dem Ziel eines 32-%-Anteils erneuerbarer Energien bis 2030. Bedeutsam ist auch die Absicht der neuen deutschen Regierung, die nachhaltige Industrieproduktion im eigenen Land zu fördern. Die Schweiz hat mit ihren Hochschulinstituten und ihren innovativen Modulherstellern eine hervorragende Ausgangslage, um dabei mitzuwirken – leider derzeit noch eingeschränkt durch das fehlende Rahmenabkommen mit der EU.  

Massnahme 4: Erhöhung des Netzzuschlags und Beschleunigung der Einmalvergütung

  • Weshalb braucht es immer noch eine Förderung für Photovoltaik?

    Im freien Strommarkt gibt es kaum Anreize zum Bau neuer Kraftwerkskapazitäten, egal welcher Technologie. Momentan liegen die Preise am Day-Ahead-Markt zwar meist bei über 10 Rappen pro Kilowattstunde (Rp./kWh), aber über viele Jahre lagen sie bei 4–6 Rp./KWh. Es ist unwahrscheinlich, dass das aktuell hohe Niveau nach Wegfall der kriegsbedingten Sondereffekte lange beibehalten wird. In der Schweiz können keine PV-Grosskraftwerke wie etwa in Deutschland erstellt werden, die zu weniger als 5 Eurocent pro Kilowattstunde produzieren. Sehr grosse PV-Anlagen auf Gebäuden produzieren in der Schweiz zu 6–8 Rp., auf Einfamilienhäusern zu rund 15 Rp./kWh. Zudem deckt die Abnahmevergütung der Verteilnetzbetreiber meist nicht die Produktionskosten für verkauften Solarstrom (siehe auch Massnahme 5). Deshalb braucht es zusätzliche Anreize für Investoren.  
    Mit der Einmalvergütung besteht eine bewährte Förderung für PV-Anlagen mit Eigenverbrauch. Seit 2023 wird sie ergänzt durch die hohe Einmalvergütung (bis max. 60 % der Investitionskosten) für Anlagen ohne Eigenverbrauch, die ab einer Anlagengrösse von 150 kW über eine Auktion ausgezahlt wird. Damit wird der Bau von Anlagen auf Lärmschutzwänden, Lagerhallen, Stalldächern, Parkplatzüberdachungen oder Stauseen endlich wirtschaftlich interessant. Alpine Grossanlagen können zudem mit bis zu 60 Prozent der Investitionskosten gefördert werden.  

  • Warum braucht es eine Erhöhung des Netzzuschlagsfonds?

    Die verfügbaren Mittel für die Einmalvergütung erlauben lediglich einen maximalen jährlichen Photovoltaik-Zubau von etwa 1500 MW. Die Limitierung entsteht einerseits durch den auf 2,3 Rp./kWh begrenzten Netzzuschlag, andererseits durch die verschiedenen anderen Technologien, die mit den Mitteln aus dem Netzzuschlag gefördert werden. Auch die separate Förderung für alpine Grossanlagen beansprucht zusätzliche Mittel.  
    Für die Steigerung des jährlichen Photovoltaik-Zubaus genügt gemäss Swissolar eine Erhöhung des Netzzuschlags um 0,5 Rp./kWh. Mit der Möglichkeit der Überschuldung des Netzzuschlagfonds ist sichergestellt, dass ein «Stop and Go» wie 2018 aufgrund von Wartelisten vermieden werden kann. 

Massnahme 5: Schweizweite klare und einheitliche Regelung der Abnahmevergütung

  • Weshalb braucht es diese Massnahme?

    Die Abnahme und Vergütung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien ist in Art. 15 EnG geregelt. Die wenig präzise Formulierung der Höhe der Abnahmevergütung (auch: Rückliefervergütung) führt dazu, dass dieser Tarif innerhalb der Schweiz sehr stark – zwischen 3 und über 20 Rp./kWh – variiert (siehe www.pvtarif.ch). Die Abnahmevergütung ist für Anlagen mit Eigenverbrauch angesichts der tiefen EIV-Förderung von maximal 30 % entscheidend für die Wirtschaftlichkeit.  

    Eine ElCom-Verfügung vom Mai 2021 hält fest, dass «für die Bemessung der vermiedenen Kosten für die Beschaffung gleichwertiger Energie im Sinne von Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe 1 EnG sowohl die Kosten für den Bezug von Elektrizität bei Dritten als auch die Gestehungskosten eigener Produktionsanlagen zu berücksichtigen» seien. Gegen diese Verfügung wurde Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die BKW wiederum passt ihre Abnahmevergütung quartalsweise den Marktpreisen an und bezahlte im 4. Quartal 2021 22,86 Rp./kWh (5,93 Rp. im 1. Quartal 2021).  

    Aus Sicht von Swissolar ist es grundsätzlich zu begrüssen, dass hier die Marktkräfte ins Spiel kommen. Mit einem vierteljährlich gemittelten Marktpreis entstehen saisonale Schwankungen, die Anreize für eine erhöhte Winterstromproduktion schaffen können, beispielsweise mit Fassadenanlagen. Allerdings müssten zugleich auch bei den Verbrauchern unterschiedliche Sommer- und Wintertarife eingeführt werden.  

    Investoren brauchen gleichzeitig die Sicherheit, dass die Abnahmevergütung nie unter eine in der Verordnung festzulegende Schwelle fällt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Strommarktpreise extremen Schwankungen ausgesetzt sein können, die nur bedingt etwas mit der Nachfrage zu tun haben. Swissolar schlägt deshalb für Anlagen mit Eigenverbrauch einen Minimalpreis vor, der sich am Energiepreis des Standardstromprodukts der Grundversorgung orientiert. Diese Regelung könnte auch nach einer vollständigen Strommarktliberalisierung weitergeführt werden. 

Massnahme 6: Solarpflichten bei Neubau und Sanierung

  • Braucht es eine Solarpflicht?

    Viele Kantone haben im Rahmen der Umsetzung der MuKEn 2014 eine Eigenstrompflicht für Neubauten eingeführt. Dies wird offenbar von den meisten Bauherrschaften problemlos akzeptiert: Die Möglichkeit einer Ersatzabgabe wird kaum genutzt, da eine Solaranlage in vielen Fällen auch eine lohnende Investition ist. Leider wissen das viele Bauherrschaften und Architekt:innen immer noch nicht. Eine Pflicht führt dazu, diese Wissenslücke zu füllen und Innovationen zu fördern.  

    Noch kaum genutzt wird das Potenzial bei Umbauten. Eine Dachsanierung ohne Solaranlage bedeutet, dass ein solches Dach für mindestens 20 Jahre für die Stromproduktion verloren ist. Wer es heute verpasst, macht in der Regel frühestens in 20 bis 30 Jahren wieder etwas am Dach oder an der Fassade, was zu spät ist, um die Ziele rechtzeitig zu erreichen. Wenn man beim Neu- und Umbau schon das Gerüst und die Fachleute vor Ort hat, ist eine Solaranlage wesentlich günstiger als bei einer nachträglichen Montage. Wir werden deshalb nicht darum herumkommen, in allen Kantonen und auch bei bestehenden Bauten (zumindest dann, wenn etwas umgebaut wird) eine Eigenstrompflicht einzuführen. Dies umso mehr, als Gebäude zukünftig für Elektromobilität und zum Betrieb von Wärmepumpen mehr Strom brauchen werden. Damit wird auch die eigene Stromproduktion mittels Photovoltaikanlage wirtschaftlich immer interessanter. 

Massnahme 7: Raumplanerische Hürden beseitigen

  • Was verlangt Swissolar genau?

    Das 2014 eingeführte Meldeverfahren für «genügend angepasste» Solaranlagen (Art. 18a RPG) hat das baurechtliche Bewilligungsverfahren für Solaranlagen an Gebäuden in vielen Fällen vereinfacht. Noch unbefriedigend ist die Situation bei Anlagen an Fassaden und auf geschützten Objekten bzw. im Bereich des Ortsbildschutzes. Bei Letztgenannten führt die unterschiedliche Auslegung der Formulierung, dass diese Objekte «nicht wesentlich beeinträchtigt» werden dürfen, zu Rechtsunsicherheit. In einem begrenzten Rahmen werden seit Juli 2022 auch Photovoltaikanlagen in Kombination mit landwirtschaftlichen Kulturen (Agri-PV) zugelassen sowie seit Oktober 2022 alpine Grossanlagen.  

Massnahme 8: Abbau von Zusatzkosten und Bürokratie

  • Worum geht es?

    Neben den kommunalen Baubewilligungen gibt es verschiedene Auflagen für den Bau von Photovoltaikanlagen. Im Zentrum stehen die Anschlussvorschriften der lokalen Verteilnetzbetreiber. Leider verursachen diese immer noch oft unnötige Zusatzkosten, wie etwa aktuell mit dem Branchendokument des VSE «Netzanschluss für Energieerzeugungsanlagen», das ein teures, unnötiges oder sogar die Sicherheit verminderndes Zusatzgerät verlangt, dessen Funktionen bereits durch den Wechselrichter abgedeckt werden. Andere Organisationen wie VKF, ESTI, Mieterinnen- und Mieterverband oder Suva haben ebenfalls in einigen Fällen Bestimmungen oder Empfehlungen eingeführt oder politisch beeinflusst, die den Solar-Zubau auf unnötige Weise behindern.  

    Unbefriedigend ist auch die uneinheitliche steuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen durch die Kantone. Mit der Parlamentarischen Initiative 21.529 «Harmonisierte Besteuerung von Abnahmevergütungen aus der Stromproduktion von Photovoltaikanlagen» verlangt Swissolar-Präsident und Nationalrat Jürg Grossen die einheitliche Anwendung des Nettoprinzips (Besteuerung des abgegebenen Stroms nach Abzug des bezogenen Stroms) sowie die Einführung einer Bagatellgrenze. Ebenfalls unklar ist die steuerliche Behandlung der Einmalvergütung. Sie ist eine Aufwandminderung und gilt als Kostenausgleichzahlung und stellt somit aus Sicht von Swissolar kein steuerpflichtiges Einkommen dar.  

    Privatpersonen können in fast allen Kantonen die Investition in die PV-Anlage auf bestehenden Bauten als Liegenschaftsunterhalt in der Steuererklärung abziehen. Swissolar schlägt vor, dies auch bei Neubauten zu ermöglichen.  

    Auf kommunaler Ebene wiederum können zu hohe Gebühren für Baumeldungen von Solaranlagen eine Hürde sein. 

Massnahme 9: Lokale Energiegemeinschaften

  • Wie könnte dies im Gesetz geregelt werden?

    Swissolar begrüsst die vom Parlament vorgeschlagene Einführung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG).

Massnahme 10: Netzkapazitäten dynamisch gestalten, Elektromobilität einbeziehen

  • Was sind die Hintergründe dieser Forderung?

    PV-Anlagen liefern nur während wenigen Stunden pro Jahr ihre Nennleistung. Vor allem in ländlichen Gebieten hätte eine Anpassung der Leitungskapazitäten an diese Spitzenproduktion hohe Kostenfolgen. Deshalb sind die Bestrebungen zu verstärken, überschüssigen Strom möglichst komplett dezentral zu nutzen, sei es zur Ladung von Batterien (in Elektrofahrzeugen oder stationär) oder zur Produktion von synthetischen Gasen und Kraftstoffen (Power-to-X).  

    Zur Überbrückung soll es möglich sein, dass Leistungsspitzen am Netzanschlusspunkt abgeregelt werden. Dadurch kann am bestehenden Netz mehr PV-Leistung als heute installiert werden, sofern der lokale Verbrauch zu gering ausfällt. Für Swissolar steht die dynamische Leistungsabregelung im Vordergrund: Dabei sorgt der Anlagenbetreiber selbst durch Steuerung der Lasten dafür, dass die vereinbarte maximale Einspeiseleistung am Netzanschlusspunkt nicht überschritten wird. Massnahme 9 (lokale Energiegemeinschaften) zeigt, wie diese dynamische Leistungsabregelung unter Einbezug ganzer Quartiere stattfinden könnte. Denkbar ist aber auch, dass in Gebieten mit knappen Netzkapazitäten die maximale Einspeiseleistung am Netzanschlusspunkt (wo keine entsprechende Steuerung oder Batterie am Wechselrichter vorhanden ist) fix auf 70 % der Nennleistung begrenzt wird. Der dadurch verursachte Produktionsverlust liegt je nach Ausrichtung der Anlage lediglich bei 1 bis 3 % und müsste nicht entschädigt werden. Wichtig dabei ist, dass die Flexibilität dem Produzenten gehört und entschädigt werden muss. Trotz all dieser Massnahmen werden punktuelle Netzausbauten v. a. im Landwirtschaftsbereich trotzdem nötig sein. Es sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass dies rasch geschehen kann.  

    Stationäre Batteriespeicher können massgeblich zur effizienten Nutzung bestehender Netze dienen, insbesondere wenn diese netzdienlich bewirtschaftet werden und nicht nur einzelne Gebäude, sondern ganze Quartiere an geeigneten Punkten des Netzes bedienen. Heute haben die Netzbetreiber kaum Anreize zum Bau von Quartierspeichern oder Power-to-Gas-Stationen, da diese – im Gegensatz zu Pumpspeichern – nicht von der Netznutzungsgebühr befreit sind. Netzbetreiber könnten jedoch bereits heute privaten Besitzern von Batteriespeichern eine Entschädigung dafür bezahlen, dass sie ihre Speicher netzdienlich bewirtschaften.  

    Die Elektrifizierung des Personenverkehrs schreitet rasch voran. Damit stehen immer mehr mobile Batteriespeicher zur Verfügung. Heute sind sie meist monodirektional, können also nur Produktionsspitzen von Solaranlagen nutzen. Bald jedoch dürfte das bidirektionale Laden zum Standard werden, womit diese Speicher1 auch massgeblich zur Sicherung der Versorgung (Tag-Nacht-Ausgleich) beitragen können. Es muss jedoch bedeutend mehr Ladeinfrastruktur als heute zur Verfügung stehen, damit diese dezentrale Speicherkapazität zur Nutzung der Produktionsüberschüsse bei der Solarenergie eingesetzt werden kann.  

    ---  

    1 Schätzung Swiss eMobility: 2 Mio. Elektroautos bis 2035. Dies entspricht etwa einer Speicherkapazität von 14,.5 TWh, 22 GW 

Massnahme 11: Tarifstrukturen/Netznutzungsentgelt

  • Worum geht es?

    Eine Studie von Energie Zukunft Schweiz im Auftrag des Verbands Schweizerischer Errichter von Sicherheitsanlagen (SES) und von Swissolar hat gezeigt, dass eine Erhöhung der Leistungstarife bei gleichzeitiger Absenkung der Arbeitstarife die Wirtschaftlichkeit von Energieeffizienzmassnahmen und von Eigenproduktion beeinträchtigen kann. Hier ist deshalb grosse Vorsicht geboten. Mit Massnahme 9 könnten viele Anlagenbetreiber ihren Eigenverbrauch erhöhen und den Verbrauch stärker auf die Produktion abstimmen. 

 

Vergleich der Szenarien

Das Swissolar-Szenario lässt sich im Power Switcher von axpo mit anderen Szenarien vergleichen:

 

Haben Sie Fragen zum 11-Punkte-Plan der Solarwirtschaft?

David Stickelberger | © Swissolar

David Stickelberger

Leiter Markt, Politik und Medien, Stv. Geschäftsleiter

Tel +41 44 250 88 34
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